Bettelheim, Anton: Brief an Karl Erdmann Edler. Wien, 27.5.1917
PROF. Dr. ANTON BETTELHEIM
WIEN, 27. V. 1917
XIX./I., Karl Ludwigstrass 57
(VILLA GABILLON)
Pfingst=Sonntag.
Lieber und sehr verehrter Herr Professor!
Ich beginne mit Ihrer Schluß-Frage: die kleine Skizze, so
wolgemeint sie war, genügt mir durchaus nicht. Sie verdienen als
Künstler und Persönlichkeit eine ganz andere Würdigung, zu der
ich Ihnen den Berufensten sofort nennen kann: Karl Erdmann
Edler. Ja, Verehrtester. Sie selbst sollen, können und werden
meiner Bitte gemäß Ihren eigenen Werde=Gang noch aufzeichnen.
Wer so porträtiren kann, wie Sie das für die Hohenlohe=
Studie und die Ebner-Erinnerungen bewiesen haben, soll in
gleicher Freiheit und Zurückhaltung das eigene Ich und Alle, die
ihm zeitlebens bedeutsam und bemerkenswert nahekamen, in
einem künstlerischen Memorien=Buch darstellen. Ein Bekenntnis-
Werk, wie Rousseau oder der heilige Augustin es offenbart
haben, werden Sie bei Ihrer Verschwiegenheit und Selbstbeherrschung
auch aus Rücksicht auf viele Ihrer Bekannten schwerlich schreiben
wollen, obgleich Sie auch dazu die Kraft und den Beruf hätten.
Was ich Ihnen nahelege, geschieht als Bitte eines Kenners