Brecher, Gustav: Brief an Ernst Krenek. Leipzig, 2.11.1929
Städtische Theater in Leipzig
Der Operndirektor
Fernruf 720 41
Leipzig, am 19
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so einfach ist. Ich finde auch, daß das koloristische Element
gerade bei einem solchen Werk sehr Nebensache ist, jedenfalls
seine Bedeutung völlig zurücktritt hinter der großen Gesamt-
konzeption, die sich mir immer imponierender auftut. Ich bin
ja in allen Dingen, so auch in der Einverleibung mir neuer
Werke eine äußerst schwerfällige Persönlichkeit und muß erst
eine jede neue Musik sozusagen durch meine sämtlichen Adern
hindurchpassieren lassen, bis es mir zu eigen geworden ist
und ich es recht „verstehe”. Dieser mein schlangenhaft schwer-
fälliger Verdauungsprozeß wird aber bis zum Monatsende schon
wieder sehr viel weiter vorgeschritten sein, und ich hoffe bis
dahin Ihnen auch schon größere Zusammenhänge in geziemender
Gestaltung vorführen zu können. Die praktische theatralische
Wirkung des Ganzen scheint mir allein schon durch die kolossa-
len Steigerungen und die blendende Szenenführung gesichert.
Bitte schreiben Sie mir also zunächst, ob und wann
Sie Brügmann in diesem Monat würden sprechen wollen und sehr
freundlich wäre es von Ihnen, wenn Sie die Universal-Edition
veranlassen wollten, mir ein Exemplar Ihres neuen Liederzyklus
zur Ansicht zu schicken, wenngleich diese Ansichtssendung ohne