Feith, Gustav: Brief an Arthur Roessler. Wien, 9.9.1934
Akad. Maler Gustav Feith
Aquarellist
Mitglied des Albrecht-Dürer-Bundes
Wien, 9. Septemb. 1934.
Hochgeschätzter Herr Referent!
Verzeihen Sie mir gütigst diese Zeilen. Ich bin Euer
Hochwolgeboren kein Unbekannter. Als weithin hochgeschätzter
Kunstverständiger widmeten mir Herr Referent, in Ihrem
Blatte W. N. N. stets anerkennende Zeilen bei unseren
Ausstellungen und danke ich an dieser Stelle mehr wie herzlich
für Ihre vornehme Behandlung und Gewogenheit. Leider Gott
drückt, mir bitter Not, eine verzweifelte Lage die Feder zu
folgenden Zeilen in die Hand:
Schon im Vorjahr stand am 7. Juni in der "Reichspost"
durch die Liebenswürdigkeit Herrn Dr Trautzl's ein Notschrei für
mich, der aber nichts nützte, da die guten Christen arm sind und
sich scheinbar nicht viel um Kunst kümmern. Ich kenne Menschen,
die jeden Armen von der Türe weisen, aber täglich Reis für Vögel
kaufen. Notleidende Künstler scheinen heute das böseste
Übel zu sein, sonst muß man als stadtbekannter Künstler
nicht ohne einen Groschen Geld dastehen. Bevor ich schwer erkranke
und ins Irrenhaus oder zum Selbstmord komme, will ich alle
andren Mitteln versuchen.
Ich lebe, glauben Sie es bei Gott, verehrter Herr Referent,
nur mehr von Almosen wie ein Bettler. Für meine mit so-
viel ehrlichem Naturgefühl gemalten Bilder interessiert sich
kein Mensch. Einzelne, liebe Bekannte, meist mich gratis be=
handelnde Ärzte schenken mir ab und zu 5, 10 oder selten 20 S.
Zum Leben zu wenig, für kärgliches Leben 2 - 3 Tage reichend.
Durch diese schwere Zeit wurde meine Frau sehr herzleidend, kann
kaum mehr auf die Gasse gehen und macht uns die Not durch
Streit zu Feinden. Mein Sohn mit 33 Jahren 4 Jahre arbeitslos
(Fotograf) und durch schlechte Kost krank an Leykemie mit
Tumor der Milz in ständiger Behandlung und Spitalsaufenthalt.
Ich selbst war in 25 Jahren 1 Jahr Patient der Heilanstalt
Alland und stehe seit 10 Jahren gratis in Behandlung mit
meinem Kehlkopfe.
Kann man glauben, daß es Wahrheit ist, daß ich,