Brockhausen, Carl: Brief an Elise Richter. Wien, 9.4.1918
Leider kann ich bei der räuml. Entfernung u. augenblickl. schlechten Postverbindung
nicht von meiner Frau selbst Näheres erfahren, was für ihre Kandidatur hervorzuheben
wäre; auch scheue ich mich in ihren geordneten Arbeiten herumzustöbern - )
wol aber kann ich sagen, dass sie eine ungemein ernste u. fleissige Arbeiterin ist, die gründlich
studiert u. wegen ihrer ruhigen Art als Mitarbeiterin sehr geschätzt wird. Eine so genannte
Vereinsdame ist sie nicht, u. ganz besonders keine "Volksrednerin" - in diese Richtung
könnten diejenigen, die sie etwa als Kandidatin aufstellen, wenig von ihr erwarten.
Sie spricht überlegt aber eher zaghaft; Versammlungen weiss sie mit Geschick u. Ruhe
zu leiten; ob sie stürmischen Versammlungen gewachsen wäre, möchte ich bezweifeln.
Ich habe ihr 2 mal telegrafirt, dass man sie kandidiren möchte, sie hat
das erste Mal eine Reihe Bedenken geantwortet. u. das zweite Mal telegrafirt:
"Wenn Du glaubt, ich kann es leisten u. wirklich nutzen - ja. Elsa."
Ich - für meine Person - bin überzeugt, dass sie leisten u. nützen kann, und bin
daher ermächtigt, im Namen meiner Frau ja zu sagen, u. würde es begrüssen
wenn Sie ihre Gemeinderatskandidatur anmelden. Sie wollte am 14/4 hier sein; kann aber momentan
keine Pflegerin finden, u. kein Datum der Rückkehr bestimmen
Hochachtungsvollst
Dr C Brockhausen
) Anbei einige litter. Arbeiten meiner Frau, die ich aufs gradewol beischliesse und
die ich sorgfältig zu behandeln und
ehestens zurückzustellen bitte!!