Friedell, Egon: Brief an Lina Loos. Wien, 26.1.1915
nebst Gattin war ich letzthin zusammen, er schickte mir Karten zu
einem Vortragsabend, der sehr schön war; er läßt Dich grüßen.
Scherber ist schon in Rußland u. schrieb um Zigaretten, Paulsen
ist derzeit auf Urlaub hier u. hat einen langen schwarzen Bart,
die Sarto schrieb aus München, auch mit Grüßen an Dich. Auf
vielfache teilnehmende Anfragen wegen Deiner Tuberkulose habe
ich stets erklärt, es wäre teils verschmockte Pose, teils ein
Trick, um den Eltern Geld herauszufilutieren. Du siehst, daß ich
auch hinter Deinem Rücken über Dich stets das Beste rede.
Ferner besuchte mich kürzlich Seitz u. erzählte mir, Dr.
Hans Adler habe ihm geschrieben, er sei mit dir in Davos
beisammen u. unterhielte sich sehr gut mit dir, aber du seist,
entgegen den allgemein verbreiteten Gerüchten, ganz und gar
nicht „dämonisch“. Grüße ihn von mir, er ist einer der wenigen
wirklich sympathischen Menschen, die ich kenne.
? In der letzten Zeit waren auch allerlei Woltätigkeits=
kisten, Vorlesungen in Spitälern u. s. w., denen ich mich nicht
entziehen konnte. Im Mittelpunkt des Wiener politischen
Interesses steht derzeit das neue Mehl, das den Leuten