Friedell, Egon: Brief an Emil Geyer. Berlin, 17.9.1928
Egon Friedell
Berlin, NW
Hotel Bristol
Unter den Linden
Berlin, den 17. September 1928
Herrn
Direktor Dr. Geyer
Wien
Theater in der Josefstadt
Lieber und verehrter Direktor !
Meine freundschaftlichen Gefühle für Sie sind so
stark, dass sie durch keinerlei unfreundliche Bemerkungen Ihrerseits
erstickt werden können. Dies wird Ihnen auch in Ihrem nächsten Brief
nicht gelingen, der noch bedeutend gröber sein wird als der soeben
in meinen Besitz gelangte. Zur Sache möchte ich mir aber erlauben,
folgendes zu bemerken.
Sie fordern mich in Ihrem heutigen Brief auf, späte-
stens a, 1. Oktober zur Verfügung zu stehen, obwohl, wie ich mit
aller Bestimmtheit behaupte, für mich zunächst nichts zu tun wäre,
als höchstens krennreiben, eine Tätigkeit für die ich jedoch nicht
engagiert bin. Ich habe einwandfrei und zuverlässig festgestellt,
dass die Aufführung von "Der lebende Leichnam" bestimmt nicht vor dem
15. Oktober, wahrscheinlich sogar noch etwas später stattfinden
wird, also zu einer Zeit, in der ich auf Grund meines Ihnen bekannten
Urlaubsgesuches, mich bereits im Urlaub befände.
Lieber verehrter Herr Dr. Geyer, es ist selbstver-
ständlich, dass uns beiden jede schikanöse Absicht fern liegt und
dass wir beide nur in Wahrung berechtigter Interessen handeln. Wenn
[Stempel:] Buchhaltung