Friedell, Egon: Brief an Emil Geyer. Berlin, 17.9.1928
gravierenden Argumenten nicht entziehen wird.
Bei dieser Gelegenheit, lieber Doktor, muss ich
auch einen Irrtum aufklären, der nur unter dem spontanen Eindruck
der soeben hier neuerschienenen Zeitung "Tempo" möglich gewesen
ist. Das Ihnen am 13. ds. Mts. übersandte Telegramm hatte nicht den
Sinn, den Sie herausgelesen haben, sondern den gegenteiligen,
nämlich dass ich rein gefühlsmässig die Zustimmung Reinhardts für
meine Beurlaubung voraussetzte.
Schliesslich möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass
ich bei Ihnen eine Tagesgage von M 15,-- beziehe, welcher Betrag
auch für einen Philosophen nicht ausreichend ist und dass die
Möglichkeit, gelegentlich Urlaub zu nehmen für mich die einzige und
notwendige Form bildet, in der ich den mir von Ihnen zugewiesenen
allzu geringen Nahrungsspielraum zu vergrössern vermag.Dazu kommt,
dass ich bereits für die in Frage kommende Zeit Verträge abgeschlos-
sen habe. Es wurden für die zweite Oktoberhälfte bereits zu fixen
Terminen für zwei Abende Konzertsäle gemietet, die Lessing-Hoch-
schule hat mit mir einen Vortragscyklus vereinbart, für den sich
bereits über 250 Abonnenten gemeldet haben, denen man die Gebühr
zurückerstatten müsste, während ich für die bereits überflüssig
aufgelaufenen Kosten verantwortlich gemacht werden müsste. Ausserdem
handelt es sich noch um eine dritte literarische Angelegenheit, über
die ich noch nicht sprechen darf, von der Sie aber bald genug erfahren
werden, die die wichtigste von allen ist und auch von dieser könnte
ich, ohne erhebliches Blechen, nicht mehr zurücktreten. Obgleich
ich diese Verträge optima fide geschlossen habe, müsste ich für den
Schaden aufkommen.
Aus all dem Genannten ergibt sich für Sie, lieber