Friedländer, Alice: Brief an Elise Richter. Berlin-Eichkamp, 28.2.1929
geben, die bekommen natürlich die fertigen
Schauspieler. Der Volontär muss sich mit Dienern
u. dergl. begnügen. Oft muss er nur als Inspicient
tätig sein, wobei er für eine künftige Regie-
karriere allerdings praktisch viel lernt. Aber der ganze
Betrieb draussen ist höchst unerfreulich u.
er bleibt bestimmt nicht länger da als bis
Ende der Saison. Was dann? Ich fürchte
bei dem Überangebot wird er als Anfänger
an einer grösseren Bühne schwer ankom-
men od. wieder nicht beschäftigt werden.
Und Provinzschmiere? Dafür ist er eben
zu alt u. wohl auch nicht gesund genug.
Ich kann heute nicht mehr schreiben, es
strengt mich sehr an. In den nächsten Tagen
bekommst Du ein Büchlein von Romain
Rolland „Goethe u. Beethoven”. Hoffentlich
hast Du es nicht schon. Wir finden es vorzüg-
lich. Für Helene schicke ich ein Buch des frisch
verstorbenen Siegfried Jacobson. Aufsätze
über Max Reinhardts Aufführungen. Ich denke
es wird sie interessiren. Viel Shakespeare.
Nun nochmals alles Gute für das be-
ginnende Lebensjahr u. tausend Grüsse
Euch Beiden von
Deiner
Alice
Ich hatte Stefan Hock im Januar
zum Geburtstag geschrieben. Wisst Ihr
ob er es bekommen hat?
Verzeih die Flecken, sie stammen von einem Inhalirapparat.