Goering, Gerd Hans: Brief an Ernst Krenek. o.O., 10.4.1930
Lieber Freund!
Vielen Dank für die prompte Überweisung des
„Reisebuches”. Ich habe gerade eine Kritik im Berl. Tgblt. erwischt,
deren ziemlich törichte stilistische Auslassungen, gipfelnd in
der gänzlich hilflosen und deplacierten Gegenüberstellung
des Rilke Zitates (Du wirst sie wohl kennen), doch einige interessante
Fragen anregen, die die Sache betreffen. Übrigens scheint dieser
Einstein gegen Dich eine persönliche Wut zu haben. Wenigstens
ist in diesen aufgeklärten psychoanalytischen Zeiten Pubertätspoe-
sie ein Schimpfwort, das in Kritiken auf persönliche Wut schliessen
lässt. Ebenso, wenn ein Pressemensch „Feuilleton” zur Bezeichnung
unbeachtlicher Minderwertigkeit gebraucht. Oder diese persönliche Re-
aktion ist durch Deine Sache selbst hervorgerufen, und das ist noch
wahrscheinlicher. Nicht zu vergessen der Schluss, nach dem davon
die Rede war, dass Schnabel seine Wohnung zu diesem
Zweck umgekrempelt habe: Frau Therese, Dank und Bei-
leid. Das ist so etwas fabelhaftes, ich könnte mich - und habe
mich - stundenlang mit diesen fünf Worten amusiert! Es ist
ja nicht auszuschöpfen, was alles da drin steckt. Nicht nur
der Kerl und die ganzen dreizehn, die davon auf ein Dutzend
gehen, die ganze Demokratie dieses Kunstbetriebes und überhaupt
alles, was sich unterm Strich des B.T. tut - aus diesen fünf Worten
kann ich mir jede erwünschte Vorstellung von diesen
Dingen entwickeln, ganz abgesehen von dem fröhlichen
Drang, diesem demokratischen Gentleman eins auf den Kopf
zu geben. Kaum haben Sie aus Ullsteinheften „Wie benehme ich”
gelesen, und schon sagen sie die Lektion öffentlich her. Aber das
ist nur die eine Seite. Die andre ist die Stilistische. Der Mann