Geiger, Ludwig: Brief an Ottilie Franzos. Berlin, 17.3.1916
GEH. REGIERUNGSRAT
PROFESSOR DR. LUDWIG GEIGER
BERLIN, DEN 17. 3. 16. 19
W. 50, SCHAPERSTR. 8.
Liebe Ottilie,
ich danke Dir herzlich für Deinen
Brief, der mir eine so interessante, bisher unbekannte
Stelle mitteilte. Sie erscheint mir so wichtig, dass
ich sie sofort zu einer kleinen Miszelle verarbeitet
habe.
Ich erinnere mich übrigens, vor einer Reihe von
Jahren die von Dir benutzten Briefe gelesen zu haben und
meine auch, damals das Gefühl gehabt zu haben, über den
Vater etwas mehr zu erfahren, als aus diesen Briefen möglich
ist. Du hast mit Deiner Klage vollständig recht. Die
meisten Herausgeber von Briefen nehmen ihre Aufgabe nicht
ernst genug; entweder sind sie faul oder unwissend oder
zu vornehm. Gerade diese letztere Eigenschaft ist am
schädlichsten; denn sie meinen, eine von ihnen heraus-
gegebene Briefsammlung zu schädigen, wenn sie reichliche
Anmerkungen hi zufügen. Der wirklich wissbegierige,
nicht bloss im gemeinen Sinne neugierige Leser ist mit
dieser Art garnicht zufrieden. Er verlangt mit Recht
über die im Briefwechsel behandelten Personen Genaueres
zu wissen. Ich habe daher in den von mir herausgegebenen
Briefen ( mögen sie nun in Zeitungen, Zeitschriften oder
Büchern erschienen sein) so reichlich wie nur möglich Auf-