Geiger, Ludwig: Brief an Ottilie Franzos. Berlin, 17.3.1916
klärungen gegeben, teils um mich selbst zu befriedigen,
teils um der Wissbegierde der Leser Genüge zu tun.
Dies ist freilich oft sehr schwer, weil die Quellen den
Kommentator im Stiche lassen, aber es gelingt oft genug,
wenn man sich Mühe gibt. Freilich habe ich in vielen
Fällen erfahren, wie einem erst zu spät, d.h. nachdem der
Briefwechsel längst erschienen ist, der Zufall zu Hilfe
kommt und die wichtigsten Notizen erst dann liefert, wenn
die Sammlung längst veröffentlicht ist.
Meine Besprechung über Schön habe ich rechtzeitig
zurückerhalten.
Von hier kann ich nur melden, dass mein Schwieger-
sohn Fritz auf gestern, Donnerstag den 15 ten Ordre erhal-
ten hatte, nach der Weltstadt Jarotschin auszurücken. Er
und Dora hatten sich über diesen Befehl, obgleich sie ihn
seit dem ersten erwarteten, mächtig aufgeregt. Fritz kam aber,
nachdem er voll bepackt um 7 Uhr das Haus verlassen hatte,
schon um 11 1/2 wieder zurück; er war nebst 11 andern Schick-
salsgenossen als "überzählig" nach Hause geschickt worden.
Uebrigens hatte er sich ein ärztliches Atest verschafft,
dass er an Herznervosität leide und ein Schreiben vom
"Roten Kreuz", dass dieses seine Dienste wieder in An-
spruch nehme, sobald er als nur garnisonsdienstfähig er-
klärt würde. Wie lange er nun zu Hause bleiben kann,
steht dahin. Deine Freundin Frau Hauschner, die wir gestern
bei dem Geburtstage von Frau Fürst trafen, hat in ihrer
liebevollen Weise den Aufschub nur als eine Galgenfrist
bezeichnet. Hoffentlich hat sie nicht recht; denn ich