Pola, den 30. November 1916.
Meine liebe Freundin!
Noch ist mein letzter Brief nicht in Ihrer
Hand, u. schon zieht es mich unwidersteh=
lich zum Schreiben, um mein übervolles
Herz zu ergießen. Nur einen ver=
schwindend kleinen Teil der Gedanken,
die zu Ihnen drängen, kann ich in vie-
le Stunden langem Schreiben auf's Pa=
pier bringen u. die Auswahl ist das
Schwerste. Auf jedem Blatte Ihrer letz=
ten zwei Briefe geben Sie mir soviel
Anregungen, daß ich gerne stundenlang
über jeden Ihrer mir so lieben Gedan=
ken mit Ihnen reden möchte; fertig
würde ich doch nie.
Wunderschön ist Ihre Betrachtung über
den Ursprung u. die Entwicklung unse=
rer Freundschaft, in der seit einigen
Monaten das ganze Leben meiner Seele
aufgeht. Soll ich diese Betrachtung noch
von meinem Standpunkt aus ergän=
zen? Sie schildern wunderbar klar,
wie unsere Seelen sich unerwartet
gefunden, als Verwandte sich erkannt
u. begrüßt u. sich bald zu so inniger,
rein geistiger Seelenfreundschaft
vereinigt haben. Das war das gan=
ze Erlebnis für Sie, ein reines