Pola, 20. Okt. 1916.
Sehr verehrte liebe Freundin!
Ihren lieben, vom 15. datierten Brief
erhielt ich erst heute, allerdings
schon um 7 Uhr früh! 5 Tage! Als ob
alles in der Welt sich meinem Sehnen
entgegenstellen würde. Seit etwa
zwei Monaten fühle ich mein Leben
in Abschnitte geteilt: von einem
Brief zum anderen Ozeanographisch
ausgedrückt, ist es eine rythmische
Wellenbewegung. Steil geböscht vorne,
rollt die Welle heran, hebt meinen
Nachen im Nu hoch empor auf ihren
schäumenden Kamm, läßt ihn dann
auf ihrem Rücken langsam, lang=
sam ins Wellental tief hinabsin=
ken, bis der nächste steile Wellen=
berg auf einmal wieder da ist:
lang erwartet, innig ersehnt,
hebt er mich plötzlich noch höher als
der frühere empor, gerade wenn
ich schon glaube, es komme keiner
mehr, das Meer sei wieder