Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 12.9.1916
Sie Fragen an mich, deren ernster
feierlicher Ton mich tief bewegt;
ich ersehe jedoch daraus, daß Sie, ver=
ehrte liebe Freundin, zu mir, wie
zu einem höheren Geist still u. be=
scheiden emporblicken. Dies bin ich
aber bestimmt nicht, Ihnen gegenüber.
Wie Sie aus jeder meiner Zeilen
sehen oder herausfühlen, blicke
ich selbst in Bewunderung, Vereh=
rung u. Dankbarkeit für soviel
von Ihnen Empfangenes zu Ihnen
empor. Wenn ich Ihnen soviel
sein, soviel geben kann, wie Sie
mir, schätze ich mich glücklich. Wenn
wir beide einander in der Höhe
suchen, beide nur emporblicken,
können sich unsere Augen nie
treffen. Nur auf gleicher Höhe stehend,
blicken Freunde, Freie einander
gerade, mit voller sincerity in die
Augen, tauschen gleichwertige
Gedanken aus verwandten
Seelen u. schlingen umeinander
Bande, die treu stützen, ohne lä=
stig zu drücken oder zu fesseln.
Aus der gleichen Quelle haben wir
beide getrunken. Sie entspringt hoch
am Abhang des Berges, von wo man
ein weites Stück Welt übersieht. Un=
versehens begegnen wir einander