Bartsch, Rudolf Hans: Brief an Wilhelm Kienzl. Wien, 18.6.1916
18.VI.1916.
8h 15
Lieber lieber Meister! Bin eben wieder einmal ganz
aufgelöst in den süßen Tonstimmungen des 1. Aktes und
muß Dir schreiben, wie dankbar ich und alle auf der Galerie Dir
für Deine herrliche und unsterblich schöne Schöpfung sind. Wer
so Ergreifendes geschaffen hat, der darf wohl sein ganzes Leben
glücklich sein und niemals den Kopf hängen lassen und sich durch
Zwischenfälle die Laune verderben lassen. Er hat
wahrhaftig die Pflicht, immer nur glücklich und froh zu sein
und sich zu sagen: Mir sind so viele große Werke gelungen
ich habe die Pflicht, recht lange zu leben, sonst keine; denn
nur so kann ich der Welt alles geben, was sie ein Anrecht hat
von mir zu fordern. Das fließt alles aus meinem Herzen, als
wäre es eine Füllfeder. Du hast sie mit Deinem Herzblut
gefüllt! Danke! Innigen Dank!
Nach dem II. Akt. Die Leute klatschen noch draußen. Ich aber
bin glücklich, daß ich Dir selbst schreiben darf. Es war einzig! Kubla
hat sehr schön und kraftvoll gesungen und gespielt. Es ist auch son-
derbar, daß Frl. Sax ganz ähnlich machte, wie die Dembitzka. Jene
vielleicht im Spiel etwas gebildeter denn eine Marquise ist
diese nicht in dem Sinne wie jene. Aber auch recht brav. Stimme
stärker. „Marquise von Massimelle! Wärt Ihr die ärmste Magd
von Ap[p]enzell” erpresste mir wieder tiefste Rührung. Ich bin ein
schlechter Kritiker. Ich höre nur das Werk und das ist herrlich. [Schrift v. Helene Kienzl:] Herrlich!
In Liebe und Dankbarkeit
Dein
Hans.
[Schrift v. Helene Kienzl:] Am 28. sind wir in Aussee,
Engerth wird
noch heute im
Kriegsministerium wegen des
Flügels sprechen, geht sicher ab. Herzlichst [Henny]