Bartsch, Rudolf Hans: Brief an Franz Karl Ginzkey. Wien, 6.6.1923
Bartsch.
Wien , Mauseloch , 6. Juni 23.
Lieber alter Freund !
Die Sorgen wegen des Marksturzes haben mich nach Wien herge=
trieben und wie wir alle muß ich nach andern Verdienstmöglichkeiten umsehen.
Beim Tagblatt war ich also zuerst , fand Löbl sehr geärgert ,
weil ich dir , wie er sagte "eine diplomatische Sendung " aufgetragen hatte
und bat mich, um mirs zurückzuversetzen , meinerseits dir auszurichten ,er
ersuchte dich von neuem , falls du nicht an die Presse gebunden wärest,ne=
ben ihr auch das Tagblatt zu beschicken , was Du wirklich tun solltest ,
denn ich glaube , das Tagblatt honoriert besser. Und mehr als zwei Feuilletons
im Monat kann ich ohnedies nicht schreiben.
Dann werde ich mich hier an die Urania wegen Vorträgen wenden;
ist sie nicht so erträgnisreich , wie jene bei einem Unternehmer , so blei=
ben mir, bei dem halbamtlichen Verkehr ohne jede persönliche Note, doch Dehmü=
tigungen erspart . Heute bin ich überdies bei Castiglioni geladen und möch=
te ihm oder einem seines Kreises gerne meine Badner Villa zum Kauf anbieten.
Bekäme ich nur zwei Drittel des Friedenswertes rein heraus , so wären wir
alle des Gröbsten überhoben und der Rest mit der Feder leicht zu verdienen,
auch wenn Alfred den Verlag verkaufte ,-was ich im Geheimen fürchte .Wenn
er noch die östreichischen Autoren einer halbanständigen Unternehmung
übergäbe , die in Kronen bezahlte , wie etwa Rikola , so wäre das Unglück
doch nicht völlig niederschmetternd . Groß genug immer noch ; denn ihn ver=
lieren hieße fortab auf Treue, Verständnis , Anständigkeit und liebevolle
Mitsorge verzichten . Ich habe kaum einen andern Grund für diese meine Be=
fürchtung , als mein Gefühl ; Alfred kämpft jedenfalls fortwährend gegen
so verzweifelte Entschlüsse an , die ich ihm , der oft beinahe zusammen=
bricht , durchaus nicht verdenken könnte .