Kalbeck, Max: Brief an Ernst Decsey. Wien, 29.5.1916
Wien 29. Mai 1916.
Lieber und verehrter Freund!
Sie sind einer von den wahren Reichen, die
wohltun, ohne es zu wollen und zu wissen. Oder haben
Sie eine Ahnung davon gehabt, welches Labsal Sie
mit Ihren schönen blauen Disteln einem gichtbrüchigen
alten Esel bereiten würden? Denn Sie verhielten sich
still und geduldig in meiner Bibliothek, bis ich von
meiner langen Vetternreise mir das Podagra aus
Deutschland mitbrachte, das unter den Rosen der
Liebe verborgen schlummerte, und traten erst heilkräftig
in Aktion, als Sie merkten: jetzt ist der geeignete
Augenblick gekommen. Ich wurde zu Bett gebracht,
eingepinselt und verbunden und hatte gerade noch soviel
Besinnung, mir Ihr Buch mitzunehmen. Ein Bettschatz,