Kauffungen, Richard: Brief an Adalbert Franz Seligmann. o.O., 7.10.1934
Lieber Freund!
Nun habe ich wieder einmal, nach langer Zeit,
den Genuß eines Artikels von Dir gehabt.
Du kannst Dir in Deiner Bescheidenheit wohl kaum
eine Vorstellung von der Freude machen, die ich
beim Lesen einer so klaren, lehrreichen Darstellung
empfinde. Dazu kommt noch, daß ich genau so
wie Du als junger Mensch, glühend u begeistert
für unsern Beruf, mit empfängnißbereiter
Seele auch diese Besuche in Makarts Atelier mit-
machte.
Trotzdem ich als Plastiker über mangelnde
strenge Form, nachläßige Zeichnung und con-
ventionelle Bewegungen Anstoß nahm, war ich
auch berauscht von dem Farbenzauber des
Malers, der nun ganz anders als bisher eine
frühere Glanzperiode der Kunst hervorzurufen
verstanden, Reichtum, Prunk, Luxus, eine
Kulturhöhe älterer Zeiten für die Kunst forderte.
Ich war auch Zeuge seines Triumpfzuges. Du hast
ganz Recht, seit Rubens war so etwas noch nicht da.
Es schien als wäre jetzt erst die Kunst im Allgemei-
nen ins rechte Licht gerückt. Er war doch ein
großer, sehr großer Künstler, aus seinem Innersten
heraus, als Representant der Kunst, trotz seiner
Mängel.
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