Berlin NW Turmstr. 21 Krankenhaus Moabit
26./5. 1926.
Lieber Gulian! Nun bin ich bald 3 Wochen im
Krankenhaus, und meine Gemütsdepression nimmt
von Tag zu Tag zu. Ich war immer ein „Preu=
ßenseuchler“ und bin Preuße. Aber Du kannst
Dir keine Vorstellung machen von einem preu=
ßischen Krankenhaus! Humanität im Stech=
schritt, kategorische Disziplin. Es war viel,
daß mir eine kleine Zelle zur - Einzelnhaft
überlassen wurde, aber erst nach einigen Tagen
wurde mir, nach Fürsprache meines Haus=
arztes, ein kleiner Tisch und eine Nachtlampe
bewilligt; bis dahin mußte ich, der ich nie
vor Mitternacht zu schlafen gewohnt war,
mit einbrechender Dämmerung ohne Licht
- mit umso brennenderen Gedanken! - still
liegen. Ohne zu klopfen, kommen und gehen
die Schwestern, bei Tag und Nacht, und das
macht mich derart nervenkrank, daß ich
zu keiner geistigen Arbeit die Sammlung
finde. X Und vor allem: keine, - keine
Besserung! Seit vielen Monaten diese kaum
26./5. 1926.
Lieber Gulian! Nun bin ich bald 3 Wochen im
Krankenhaus, und meine Gemütsdepression nimmt
von Tag zu Tag zu. Ich war immer ein „Preu=
ßenseuchler“ und bin Preuße. Aber Du kannst
Dir keine Vorstellung machen von einem preu=
ßischen Krankenhaus! Humanität im Stech=
schritt, kategorische Disziplin. Es war viel,
daß mir eine kleine Zelle zur - Einzelnhaft
überlassen wurde, aber erst nach einigen Tagen
wurde mir, nach Fürsprache meines Haus=
arztes, ein kleiner Tisch und eine Nachtlampe
bewilligt; bis dahin mußte ich, der ich nie
vor Mitternacht zu schlafen gewohnt war,
mit einbrechender Dämmerung ohne Licht
- mit umso brennenderen Gedanken! - still
liegen. Ohne zu klopfen, kommen und gehen
die Schwestern, bei Tag und Nacht, und das
macht mich derart nervenkrank, daß ich
zu keiner geistigen Arbeit die Sammlung
finde. X Und vor allem: keine, - keine
Besserung! Seit vielen Monaten diese kaum
X Nur dreimal in der Woche, auf je eine Stunde,
dürfen Besuche empfangen werden!
dürfen Besuche empfangen werden!