Kienzl, Hermann: Brief an Wilhelm Kienzl. Wilmersdorf bei Berlin, 25.11.1926
wie erfreulich. Es steigt in Dir offenbar immer
noch frischer Saft, und Du überraschst die Freunde
des historischen Evangelimann.
Aus Österreich und Graz höre ich, von allerlei
vereinspolitischen Böswilligkeiten abgesehen,
fast nichts. Daß Hari ein neues Burgfräulein
sich „geschaffen” und Putzi seine Podexklopfer=
prüfung bestanden hat, schrieb mir heute, verspätet,
Ziska. Nun wird der arme Kerl, der Putzi, also
endgiltig an die Schulbuben verloren gehen und,
was noch weit schlimmer, an sein abgetakeltes
Weibsbild. Es gibt wenig Menschen, um die es in
so hohem Maße schade ist!
Wie wirst Du denn die Rationierung Deiner
Gegenwart bei den Geburtstagsfeiern vornehmen?
Wien, Graz, Linz - und eventuell doch auch Berlin?
Kämest Du sicher, so könnten auch wir Dir ein
Tratatera blasen! Hoffentlich schützt Dich das
Durchsickern der Vorbereitungen vor allzugroßer
Erregung.
Herzlich freut mich die Genesung Deines lieben
Schwagers. Bitte, grüße ihn und Hansi! Und selbst=
verständlich Henny. Wenn ich so mit Dir plaudere,
ist mir's unwillkürlich, als seiest Du der
weitaus jüngere Bruder. Sei umarmt,
lieber Gulian! Dein
Hermann.