Kraus, Alfred: Brief an Karl Kraus. Wien, 8.4.1933
DR. ALFRED KRAUS
WIEN
III. MOHSGASSE No 2
8.April 1933
Lieber Karl !
Vor kurzem war Dein Rechtsfreund Herr Dr.Samek bei mir,um verschiedene
Informationen betreffs der Verlassenschaft nach unserer leider so früh ver-
storbenen Schwester Mizzi bei mir einzuholen.-
Bei dieser Gelegenheit teilte er mir mit,dass Du die Absicht hast in
der Streitangelegenheit Joseph und Rudolf zu intervenieren, um zwischen beiden
einen Ausgleich herbeizuführen.-
Diese Absicht kann ich nur begrüssen,denn es wäre sehr wünschenswert und
im Interesse beider Brüder gelegen wenn ein Prozess vermieden werden könnte,
welcher viel Staub aufwirbeln würde und für beide Teile von sehr unangenehmen
Folgen begleitet wäre.Ich bin jederzeit bereit Dich in Deinem Bestreben zur
Beilegung dieses Streites nach Tunlichkeit zu unterstützen.Aus dem seinerzeit
abgeschlossenen Vertrag ergibt sich allerdings,dass die Rechtslage für Joseph
günstiger steht.Trotzdem halte ich es auch im Interesse von Joseph, den Prozess
zu vermeiden,denn von ihm wurden grosse Fehler begangen,die Rudolf genügend
Prozessmaterial liefern;insbesonders aber läuft Joseph Gefahr, wenn er Rudolf
zur Uebernahme der Aktien zwingt, die Pension bei der Papier-Ultra zu ver-
lieren,die ich ihm mit vieler Mühe seinerzeit erwirkt habe.-
Es unterliegt wohl keinem Zweifel,dass es Rudolf in erster Linie darum
zu tun war, durch den Vertrag den Beweis zu haben,dass er im Besitze einer ent-
sprechenden Anzahl von Aktien sich befindet,um seine vermeintlichen Rechte
auf den Gründervertrag vom Jahre 1912 geltend machen zu können. Aber ebenso
steht es fest,dass Rudolf damals Joseph einen sehr grossen Dienst erwiesen
hat,indem er das Geld zur Verfügung stellte,welches Joseph zur Abzahlung
seiner Schuld an die Schweizer Bank benötigte.An einen wirklichen Kauf der