Kraus, Alfred: Brief an Karl Kraus. Wien, 8.4.1933
Aktien scheint Rudolf nicht ernstlich gedacht zu haben;er glaubte wohl,dass
sich Gelegenheit bieten werde, den Kaufvertrag später in einen Darlehensver-
trag umwandeln zu können,denn sonst könnte man sich wirklich nicht erklären,
dass er einen derartigen Vertrag abgeschlossen hätte,der für ihn mit einem
so grossen Risiko verbunden war.-
Würde Rudolf heute gezwungen werden, zu den im Vertrage vorgesehenen
Kursen die Aktien zu übernehmen,so würde ihm ein grosser Schaden erwachsen,
der vielleicht bei den heutigen Verhältnissen für ihn gar nicht tragbar wäre;
es ist ja klar,dass der Wert der Aktien heute ein viel geringerer ist als vor
5 Jahren.-
Diese Streitsache muss also durch einen Ausgleich bereinigt werden.Ich
bin jedoch der Ansicht,dass Dir allein diese Aufgabe zu grosse Schwierigkeiten
bereiten wird und würde daher Dir folgenden Rat geben:
Die strittige Angelegenheit soll durch ein Schiedsgericht geregelt werden,
dessen Urteil inappellabel ist und welches aus je einem Vertrauensmann von
Joseph und Rudolf bestehen soll,während Du als unparteiischer Dritter fungierst
dem die Entscheidung zufällt.Selbstverständlich würde ich dem Schiedsgericht
resp.Dir jederzeit mit den nötigen Informationen zur Verfügung stehen.-
Ich hoffe,dass es auf diese Weise möglich sein wird, in kurzer Zeit diese
Angelegenheit zu ordnen und verbleibe mit besten Grüssen
Dein:
Alfred