Levetzow, Karl Michael von: Brief an Wilhelm Kienzl. Wien, 7.8.1920
wieder nach Wien, um erst im Spätherbst, wenn dies möglich, nach dem
Süden zur Überwinterung zu reisen.
Mir liegt bei diesem Werke nichtsosehr daran, einen Componisten
zu finden, als den rechten Componisten; dass Sie das sind, weiss ich;
(ganz abgesehn einmal vom „Können“ ect., was ja bei Ihnen selbstverständlich
ist) ich weiss, dass Ihnen „Mövenschrei“ vielmehr „liegen“ muss als - „Till“
zum Beispiel. Ich weiss auch, dass wenn Sie sich an den „Mövenschrei“
machen, etwas herauskommt, das nicht nur über Deutschland, sondern
wirklich einmal über die Welt geht. Denn dieses Thema mit dieser
Musik ist absolut überall verständlich und wirksam; international.
Für diese Möglichkeit will ich gerne ein gewisses Opfer bringen.
Nun weiss ich ja nicht wie Sie arbeiten; das ist bei jedem verschieden;
weiss nicht, ob Sie in den Pausen Ihrer jetzigen, so ganz verschiedenen
Arbeit, wie Sie sagen, etwa schon Notizen, Motive, Teile des Mövenschrei
denken und notieren könnten .... das weiss ich nicht; auch nicht, ob
Sie eventuell die eine Arbeit an einem Abschlusspunkte unterbrechen
und auf die andere andersgeartete (was eventuell eine Erleichterung
und Erholung sein kann) überspringen könnten ....
Mir würde genügen, wenn Sie mir im Herbst die Zusicherung
gäben, dass Sie als nächste neue Arbeit den „Mövenschrei“ übernehmen.