Löwe, Ferdinand: Brief an Gustav Huber. Lussingrande, 16.11.1923
Lussingrande (Johanneshof)
den 16. November 1923
Sehr verehrter Herr Hofrat!
Als ich an Sie vom Ferienaufenthalt aus voll froher
Hoffnungen über meine bevorstehende Thätigkeit im Bruckner-Gedenkjahr
schrieb, konnte ich wohl nicht ahnen, daß mein armer Körper
mir gleich zu Beginn so übel mitspielen würde. Ich leide dar=
unter unsäglich u. verzögere durch meine Schwerblütigkeit -
die sogenannte „leichte Achsel” steht mir nun einmal nicht
zu Gebote - sicherlich meine Herstellung. Jedoch der Schlag
kam zu plötzlich; hatte ich doch die öffentliche Probe zum ersten
Abonnementskonzert (u. ebens schon vorher die interne
Chorprobe zur „Neunten”) mit grösster Frische u. Begei=
sterung geleitet u. konnte deswegen so gar nicht auf meine
Erkrankung gefasst sein, die, von allem Andern abgesehen,
mich auch dem Konzertverein gegenüber in die allerpeinlichste
Lage versetzt, da ich eben zunächst meine Verpflichtungen
nicht erfüllen kann! Darüber hat mich freilich eine über=
aus liebe Zuschrift unseres hochverehrten Präsidenten (auch
vom Präsidium u. der Direktion d. Konzerthausgesellschaft habe
ich eine ähnliche erhalten) einigermaßen beruhigt. Ich
hatte mir eben vorgenommen, sogleich nach diesen Zeilen an
Sie, verehrtester Herr Hofrat, die beiden, mich sehr ehrenden
Zuschriften zu beantworten, wurde aber momentan durch
das Eintreffen eines Briefes von Generalsekretär Kaudela