Marriot, Emil: Brief an Albert Eulenburg. Wien, 2.1.1917
[Andere Hand mit Bleistift:] 202
Wien, III/I, Arenberg=
gasse 1.
2. I. 1917.
Lieber Herr Geheimrat,
seit einer Ewigkeit habe ich nichts von Ihnen
gehört. Ihr letztes Lebenszeichen war die interessante
Broschüre, die Sie mir, lang ist's her, geschickt haben.
Dafür habe ich Ihnen auf einer Karte gedankt und
damit war Schluss. Wenn die Zeiten anders wären, so
hätte ich längst schon geschrieben und angefragt, wie es
geht. Aber unter diesen lastenden Verhältnissen verliert
man nicht nur jede Stimmung, sondern auch jede Zeit-
berechnung. Ich weiß oft wirklich nicht: Dauert der
Krieg erst ein oder schon zehn Jahre, war er über-
haupt nicht da, seit ich auf der Welt bin ...? Und so
verschwimmt und verschiebt sich mir alles und ich merkte
eigentlich erst vor Kurzem, als Helene zu Besuch hier
war und von Ihnen sprach, wie lang es ist, seit wir
einander zuletzt geschrieben haben.
Leider hat sie mir auch mitgeteilt, dass Sie
krank waren. Ist's besser? Ist's gut geworden?
Ich hoffe es von Herzen.