Millenkovich-Morold, Max von: Brief an Josef Reiter. Wien, 21.6.1932
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Wien 4., Johann-Strauß-Gasse 6, am 21 . Juni 1932.
Lieber, teurer Sepp !
Da ich sonst nicht leicht dazukäme, Dir eigenhändig
wieder einen langen Brief zu schreiben, unterbreche ich meine heu-
tige Arbeitsstunde, um in aller Eile folgendes zu diktieren:
Elmendorff verläßt München und kommt nach Wiesbaden.
Hat er sich schon zum "Tell" geäußert? Wem bleibt unser Werk in
München anvertraut? Kann und will er auch in Wiesbaden für uns
eintreten? Ich habe Stolzing zu seinem Schauspiel-Erfolge beglück-
wünscht und ihn bei dieser Gelegenheit befragt, ob er Näheres
weiß und was er allenfalls tun könne. Das war vor einigen Wochen,
gleich nach seiner Aufführung. Er hat mir aber bis jetzt nicht
geantwortet, auch vermisse ich seinen Namen im Völkischen Beobach-
ter, wo meine letzten Einsendungen nicht erschienen sind. In irgend
einem Berichte eines anderen Blattes las ich vom Verfasser des
"Friesen" als vom früheren oder ehemaligen Schriftleiter des Völ-
kischen Beobachters. Es scheinen sich also da Veränderungen voll-
zogen zu haben und ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir mitteilen
wolltest, was Du darüber weißt, und wenn Du mir auch den gegenwär-
tigen Aufenthalt Stolzings oder seine Münchener Wohnung bekannt
geben könntest. Bisher schrieb ich immer an die Schriftleitung.
Wegen des Herrn Bruckner aus Krems kannst Du, was mich
betrifft, unbesorgt sein. Ich bin ihm nie auf den Leim gegangen und