Millenkovich-Morold, Max von: Brief an Josef Reiter. Wien, 21.6.1932
habe mit ihm nur sehr zurückhaltend verkehrt. Bin auch in ständiger
Verbindung mit all den Leuten, die über ihn Bescheid wissen und
vor ihm warnen. Nur sind mir einigermaßen die Hände gebunden, weil
Graedener, der ihn gebracht hat, anscheinend nicht von ihm lassen
will und überdies schon seit einigen Wochen nicht mehr in Wien ist.
Just, als die Bruckner-Krise ausbrach, rüstete er zu einer mehr-
monatigen Abwesenheit. Ich habe ihm seither schon vier Briefe ge-
schrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Der letzte ging al-
lerdings erst heute ab. Nach seiner Abreise von Wien war Graedener
zuerst in München, um dort zu berichten und Weisungen zu empfangen.
Ob er wohl der rechte Mann für eine so selbstherrliche Stellung ist,
wie er sie im Wiener Kampfbund einnimmt? Mir wurde gesagt, Du habest
besondere Vollmachten für den Aufbau des Wiener Kampfbundes aus
München erhalten, die Du dann, als Du die Leitung niederlegtest,
zur Gänze auf Graedener übertragen habest. Wenn dies richtig ist,
wenn man also in München Dir in weitestem Maße das verdiente Ver-
trauen schenkt, dann möchte ich Dich noch einmal bitten, bei Dei-
nem Verkehr mit München auch meiner nicht zu vergessen und mir
die Wege für künftige geeignete Tätigkeit zu ebnen. Auf diesen
Teil meines letzten Briefes hast Du noch nicht geantwortet. Ich
sprach dort auch von einer Art Kunst-Beirat der Partei, nicht des
Kampfbundes, und bitte Dich, alles, was dort steht, nochmals zu le-
sen und mir dann einiges darüber zu sagen. Ich bin absichtlich
mit den hiesigen Partei-Größen nicht in nähere Verbindung getreten,
ehe ich nicht Deine Meinung kenne und Deiner Hilfe gewiß bin.
Endlich hast Du auch meine Frage wegen meines allfälli-
gen Besuches bei Dir nicht beantwortet. Ich wiederhole, daß ich