Quincke, Wolfgang: Brief an Luise Necker. Heidelberg, 29.9.1922
Rohrbacher Str. 13/15. Heidelberg, 29.9.22.
Verehrtes Fräulein Necker,
liebes Luisekind!
Ich habe Ihnen immer noch nicht
für Ihren schönen langen Brief mit dem Bericht
über Ihre Schicksale gedankt, und Sie werden sich
wundern, dass ich immer noch hier bin. In der
Tat war ich seit ¾ Jahren nur vom 7. - 12 Septem-
ber daheim in O., wo meine Frau gemütsleidend
geworden ist und ich nach 2 Tagen auch ganz
zappelig war. Sie ist jetzt in München, Mieze seit 8
Tagen bei Freunden in Trier, und ich hier allein.
Von Januar bis Ende Juli war ich in einem hiesigen
Antiquariat tätig, was mir sehr liegt. Ich hätte
meine Kenntnisse auf dem Gebiet der Sprache, Lite-
ratur & Kulturgeschichte etc. selbst nicht so
hoch angeschlagen, wie sie von andern bewertet
werden; katalogisieren, auszeichnen, verkaufen,
einkaufen kann ich sehr gut; nur das eigent-
lich kaufmannische (Buchführung, Rechnen
u. s. w.) ist mir hoffnungslos unzugänglich.
Der Eintritt eines tätigen Teilhabers machte
meine Arbeit überflüssig. Seitdem arbeite ich mit
einem Professor von der Universität Tuscaloosa
in Alabama (U. St. A.), indem ich ihn in die Fein-
heiten der deutschen Sprache, Aussprache und