Quincke, Wolfgang: Brief an Luise Necker. Heidelberg, 29.9.1922
Vortragskunst sowie in die Kenntnis der
deutschen Literatur, insbesondere Goethes ein-
führe. Diese Aufgabe wird mir bis gegen den
Sommer hin zu tun geben. Was dann wird -
wer weiss es? Die Verhältnisse sind jetzt schon
so wie in Oesterreich; es wird auch noch kom-
men, wie in Russland.
Einstweilen werde ich in meinem neunzig-
sten Studiensemester wieder Vorlesungen
hören. -
Für meine Bücher habe ich auch keinen Ver-
leger finden können, und selbst die Kostümkun-
de, die in 3ter Auflage vergriffen ist und ver-
langt wird, kann der Verleger (J. J. Weber)
nicht neu auflegen, weil die Herstellungs-
preise zu irrsinnig hoch sind. Seitdem haben
sich die Preise der neuen wie der alten Bücher
abermals vervielfacht.
In Oberaudorf kostet das Pfund Margarine
40, Butter 50, Zucker 70 M mehr als in
München.
Wie steht es mit Ihrer Gesundheit? Hoffentlich
gut! Käte lacht uns gwiss alle aus mit
ihrer Geflügelzucht! Meine Frau & Mieze
grüsst Euch beide herzlich mit mir.
Mieze ist so angehängt, dass sie nie dazu
kommt, einen Privatbrief zu schreiben. Als
ich von Oberaudorf zurückkam, lag sie
an einer Nierenentzündung, Folge von
Unterernährung. Sie hat keine Ausspan-
nung gehabt diesen Sommer und ich bin
froh, dass sie fort ist. Morgen oder Montag
erwarte ich sie zurück.
Euch alles Gute von uns!
Ihr
getreuer Wolfgang Quincke