Quincke, Wolfgang: Brief an Luise Necker. Oberaudorf, 23.1.1927
Feuerbach nicht hinreichende Auskunft geben.
In der Residenz war ich seitdem nicht wieder;
sie ist jetzt Museum. Wahrend der Kriegs-
zeit kam man ja zu nichts anderm, als
den ganzen Tag nach Lebensmitteln herum-
zulaufen.
Meine Arbeit über Charlotte von Hagn
habe ich vor 8 Tagen beendet. Seitdem
beschäftige ich mich mit Geschichte. Wenn
man die Dinge nicht immer von Zeit zu
Zeit wieder vornimmt, so vergisst man
zu viel. Nachts, wenn ich nicht einschlafen
kann oder aufwache, sage ich mir gewöhn-
lich Gedichte; jetzt aber bisweilen die
Reihe der deutschen Kaiser mit Jahreszah-
len; die weiss ich alle noch, und die sind
das Gerüst, in das ich alle meine einzelnen
Kenntnisse einordne.
Lesen kann ich auch nicht immer, oder wenig-
stens manches zu manchen Zeiten gar nicht.
Die tote Stadt kenne ich nicht, nehme aber
an, Sie haben Recht.
Bitte empfehlen Sie mich Frau Seufferheld, wenn
sie sich unseres Zusammentreffens in Reichenhall
noch erinnert. Mein früherer Teilhaber Hubl war
mir aus den Augen geraten seit 5 Jahren. Nun höre
ich, er habe, ich weiss nicht wann, seine Frau ver-
loren, sich wieder verheiratet, sei nach Innsbruck ge
[oberer Rand, über Kopf:]
zogen und kürzlich gestorben.
Mit den herzlichsten Grüssen und Wünschen auch
von meiner Frau
Ihr alter Wolfgang Quincke