Quincke, Wolfgang: Brief an Luise Necker. Oberaudorf, 23.10.1926
Postfach 66 Oberaudorf (Oby) den 23. Okt. 26
Verehrtes Fräulein Necker,
liebes Luisekind!
Es war uns eine grosse
Enttäuschung, als anstatt Ihrer am 23. August Ihr
Brief eintraf, und ein grosser Kummer, dass sie solche
Reisebeschwerden zu erdulden hatten und diese so schlecht ver-
tragen haben. Hoffentlich ist dabei von Ihrer Erholung
doch etwas übrig geblieben und Sie sind wieder eingefahren
in den gewohnten Geleisen.
Warum ich Ihnen erst nach zwei Monaten ant-
worte?
Wir sind seitdem nicht zur Ruhe gekommen, weil
das Haus, in dem wir wohnen, angeblich verkauft
war und der neue Eigentümer uns sagen liess, wir
müssten heraus. Nun hat sich die Sache inzwischen
zwar zerschlagen, aber das Haus soll durchaus und
um jeden Preis verkauft werden, und obwohl sich
seit dem wieder mehrere Käufer gezeigt haben und
wieder abgesprungen sind, so ist eines sicher: über
kurz oder lang wird es doch verkauft.
Mit dieser Erleuchtung wurde die Erinnerung an
alles 1921 bis 24 erduldete Ungemach wach, wo
uns zweimal das Haus über dem Kopf verkauft
wurde und wir in schreckliche Wohnungsgemein-
schaft und unzureichende Räume, dann in ein un-
gesundes Dachgeschoss hinein gezwungen wurden;
und die Furcht, diesmal gänzlich zu Grunde zu