Rilla, Paul: Brief an Karl Kraus. Breslau, 11.6.1931
schen Sender zu bewegen. Im übrigen bejahe er durchaus das
"Phänomen" Karl Kraus und dieses Phänomen sei ihm, dem Inten-
danten, für sein Vortragsprogramm in jeder Form willkommen.
Was er sonst und im allgemeinen etwa über die "funkischen" Mög-
lichkeiten einer Shakespeare-Vorlesung denke, spiele dabei kei-
ne Rolle. So weit die Erklärungen Bischoffs.
Nun der Fall Runge. Ich habe den Namen natürlich nicht genannt,
sondern nur erklärt, dass Karl Kraus von irgendeiner Seite infor-
miert worden sei. Als ich Herrn Bischoff jedoch den Wortlaut Ih-
res Telegramms mitteilte, entgegnete er sofort, die Information
könne nur von Herrn Runge stammen. Namentlich aus dem Umstand,
dass das Telegramm auch die Namen Nick und Engel nennt, ginge un-
zweifelhaft die Zeugenschaft Runges hervor, da nur er in jener
Regiesitzung ausser diesen Herren anwesend gewesen sei. Er, Bi-
schoff, werde nun alles daran setzen, den Beweis in die Hand zu
bekommen, und sobald die Tatsache feststehe, werde er seine Kon-
sequenz ziehen. Die Konsequenz könne nur die fristlose Entlassung
des Herrn Runge sein, denn es läge hier ein grober Vertrauens-
bruch vor, indem der Angestellte eines Betriebes Interna dieses
Betriebes hinausgetragen habe. Ich bin auf die Erörterung dieser
Frage nicht eingegangen, weil ich ja den Namen Runge unter keinen
Umständen preisgeben wollte. Ich bin mir jedoch darüber klar, dass
die Nennung der Namen Nick und Engel in Ihrem Telegramm tatsäch-
lich nur den Schluss auf die Zeugenschaft Runges zulässt.
Herrn Eggers, den Vorsitzenden der Breslauer Volksbühne, habe ich
vor mehr als einer Woche schriftlich um eine Unterredung ersucht.
Er hat bisher nicht geantwortet, möglicherweise ist er verreist.
Ich werde ihn jetzt telephonisch zu stellen versuchen.
Wenn ich es irgend ermöglichen kann, möchte ich in der nächsten Wo-
che auf 2 bis 3 Tage nach Wien kommen. Wir könnten dann die Angele-
genheiten noch einmal durchsprechen. Darüber gebe ich Ihnen noch
Nachricht.
Mit dem Ausdruck der herzlichsten Verehrung
Ihr ergebener Paul Rilla