Bauer, Leopold: Brief an Adalbert Franz Seligmann. Wien, 8.5.1916
wußt ist, in welcher Weise ein Bildhauer künstlerische Mög-
lichkeiten bewältigen kann. Denn an dem "Stellen der Aufgabe"
liegt ja meistens die Möglichkeit, ein Kunstwerk zu schaffen,
oder nur eine ganz gewöhnliche, unkünstlerische Arbeit hervor-
zubringen.
Ich habe bisher an dem Bau der öst.ung.Bank den be-
kannten Bildhauer SCHIMKOWITZ beschäftigt, der aber leider
künstlerisch schon so sehr seinen eigenen Karakter hat, dass Er-
ziehungsversuche zu einem höheren Schwung nicht recht nützten.
Dann habe ich zwei jüngere Bildhauer, von denen Josef OBETH
so ziemlich unbekannt sein dürfte und der Bildhauer ZITA kaum
viel bekannt ist; beide haben sich in den 2 Jahren der Mitwir-
kung an meinem Bau ganz hervorragend entwickelt und ich glaube, dass wir nun
Werke schaffen, bei denen ein Zusammenklang von Architektur und
bildhauerischer Erfindung zu bemerken ist, wie er vielleicht in
den letzten Jahrzehnten nicht oft vorgekommen ist. Durch die-
sen Erfolg ermutigt, werde ich in den nächsten Jahren auf brei-
terer Basis beginnen und immer mehr Künstler heranziehen, in
der Hoffnung, dass die großen Aufgaben ein neues Geschlecht
von Künstlern hervorbringen.
Nun benötige ich aber auch Hilfe! Dass mit Künstlern
in finanzieller Beziehung schwer zu arbeiten ist, ist eine Tat-
sache, die gar keiner weiteren Aufklärung bedarf; Künstler wer-
den nie einem Termin einhalten, Künstler können auch keine Vor-
anschläge einhalten, sie verrechnen sich. Ihre künstlerische
Fantasie geht ihnen oft durch und sie schaffen Besseres als
der Entwurf und die Grundlage des Kostenvoranschlages erhoffen
liessen, es müssen Nachtragszahlungen geleistet werden etc.