Friedländer, Alice: Brief an Elise und Helene Richter. 18.12.1918
18. Dez. 1918
Meine Lieben,
Ihr wisst wohl schon durch Papa, dass Franz vorigen Mitt-
woch glücklich heimgekehrt ist. Wir sind natürlich glücklich, ihn
bei uns zu haben und von der Sorge um ihn befreit zu sein,
aber Ihr könnt Euch denken, dass es ein furchtbar schmerzliches
Wiedersehen war. Der arme Junge hat Schweres durchgemacht,
ausser der Depesche mit der blossen Tatsache des Unglücks
erreichte ihn fast 6 Wochen lang keine Post von uns. Was
Hold's Verlust für ihn bedeutet, das könnt Ihr, die Ihr das
wirklich ideale Verhältniss der Beiden kennt, Euch vor-
stellen. Nun hatten sie sich seit 1 1/4 Jahren nicht mehr sehen
können und sehnten sich so unbeschreiblich nach einander,
machten die herrlichsten Pläne für die Friedenszeit - Alles zer-
trümmert. Ich sehe, wie Franz kämpft, um stark zu bleiben,
verwinden wird er's nie. Ich selbst kann ihm jetzt nicht das
sein, was ich möchte u. müsste; gerade jetzt wo er u. die An-
dern heimkehren, wird das Nichtwiederkommen des Einen
so entsetzlich fühlbar u. die Zeit lindert nicht, wenigstens nicht
die ersten Jahre. Die Stumpfheit, die zuerst manchmal so wohl-
tuend war, ist jetzt ganz vorüber, ich empfinde in jeder Sekunde
den unerträglichen Schmerz. Das Schicksal hat ja Alles getan, um
den Verlust noch zu verschärfen. Nur wenige Stunden später
u. die Gefahr war vorüber. An dem selben Tage war die Batterie
zurückgezogen worden, die anderen Offiziere schon hinten bei
den Protzen, erwarteten ihn Abds., da kam ein Sergant, der
als Hilfsbeobachter mit vorn, aber nicht im selben Unterstand
gewesen war, und meldete das Unglück. Es gingen dann noch
[am linken Rand quer geschrieben:]
Ich glaube der Brief ist sehr confus, aber ich bin so zerbrochen. Drum verzeiht! -