Friedländer, Alice: Brief an Elise und Helene Richter. 18.12.1918
ein Offizier u. Mannschaften nach vorn, um die Leichen unter
den Trümmern hervorzuholen, sie konnten aber nur mit
abgeblendeten Taschenlampen arbeiten, da der Feind in
nächster Nähe war u. sie beschoss u. so gelang es nicht, sie zu finden.
Ich weiss wohl, man soll sich nicht an den Gedanken an die
irdischen Überreste klammern, aber es ist doch entsetzlich,
zu wissen, dass sein armer zerschlagener Körper nicht ein-
mal den Frieden einer sicheren Ruhestätte gefunden hat.
Am nächsten Tag zog das Regiment ab, übergab einem
andern Regiment die Fürsorge. Ich kann mir aber nicht
denken, dass die sich bei der eminenten Lebensgefahr viel
Mühe gemacht haben sollen. Es kam ja kurz darnach die
Auflösung u. Räumung. Den ausführlichen Hergang habe ich
erst jetzt erfahren, durch einen Brief des Batterieführers. Viel=
leicht ist es möglich, den Hilfsbeobachter zu erreichen, den ein-
zigen überlebenden Augenzeugen. Ich weiss nicht, ob ich
Euch schrieb, dass sich (auch erst vor Kurzem) herausgestellt
hat, dass der einzige Freund, den er draussen hatte, ein hoch-
begabter Maler und ungewöhnlich ernster feinsinniger junger
Mensch von 24 Jahren, mit ihm gestorben ist. So furchtbar mich
dieser Tod auch erschüttert hat, ist es mir doch ein Trost, zu
wissen, dass Hold die letzten Lebenstage = und Stunden in Har-
monie u. Glück verbracht hat. Mit diesem Freund verband
ihn gegenseitiges Verständniss u. Gemeinsamkeit der Interessen,
jedes Beisammensein bedeutete für ihn einen Lichtblick.
Sie waren nicht in der selben Batterie. -