Friedländer, Alice: Brief an Elise und Helene Richter. Berlin, 4.12.1931
ein Genie war er sicher. B. Walther führt ihn be-
sonders schön auf; war ja sein Schüler u. Freund.
Montag werden wir „Hoffmanns´ Erzählungen”
sehen. Stefan Hock, den ich bisher nicht einmal
telephonisch sprechen konnte, klingelte vorgestern
an, als ich nicht da war, und bot uns Karten an.
Bin sehr neugierig. Es scheint ja ein reines Ausstattungs-
stück zu sein, mit einer durchaus unzeitgemässen
Prachtentfaltung. Ob Stefan nun schon abreist,
weiss ich nicht, ich konnte ihn eben nicht erreichen.
Eben werde durch einen Anruf von Meyerfeld unter-
brochen, der mir mitteilt, in einer ungleichen Litteratur-
zeitung sei eine spaltenlange Besprechung des „Kainz”. Er
will sie mir schicken u. ich schicke sie Euch gleich
weiter. -
Wisst Ihr Niemanden, der von Wien herreist und
mir 600 Sh. mitbringen könnte? Unser Mieter Appen-
zeller, der mir sonst monatlich 200 M. schickt, kann
es seit October nicht mehr, weil nichts herausgelassen
wird. Diese Absperrung der Länder gegeneinander,
besonders zwischen Oesterreich u. Deutschland ist zu
lächerlich. Wir brauchten das Geld so nötig. - Der
Kampf mit Dr. Klein ist Gott sei Dank überstanden.
Nun muss ich sehen, wie der neue Verwalter seine
Sache macht. - Jetzt aber muss ich schliessen
Ich gelobe Besserung u. grüsse Euch tausend Mal
Eure getreue
Alice