Gregori, Ferdinand: Brief an Franz Karl Ginzkey. Berlin, 22.10.1922
Und Ihre liegt nicht gar so weit davon (Auch Ihre Meinung übers Theater
mutet mich durchaus nicht ketzerisch an ; nur scheinen Sie den großen Regisseur
ein für alle Mal mit Reinhardt zu identifizieren, der aller-
dings oft den Dichter knebelt, es gibt u. gab aber auch andere)
Ich bin I. Vorsitz. der Vereinigg. künstler. Bühnenvorstände u. gebe als der
seit 3 Jahren eine Fachzeitschrift „Szene” heraus (ganz unentgeltlich!), habe ein
Dutzend andrer Ehrenstellen, die mich viel Zeit kosten, und muß deshalb mehr
als andre schuften, um den Haushalt (eine 6 - Zimmer-Wohnung!) aufrecht
zu erhalten. Im Nov. spreche ich etwa in 20 Städten über Gerh. Hauptmann
u. gastiere in „Pippa tanzt”; hier in Berlin bin ich auch nahezu jeden Abend
künstl. besetzt; spiele auch öfters noch als Gast bei Hollaender. Die Haupt-
arbeit aber ist das Unterrichten.
Meine Frau muß jetzt in der Wirtschaft mit anfassen, denn 2 Mädchen
gibts nicht mehr für eine Familie u ich könnte sie auch nicht ernähren u
bezahlen. Ellen buchbindert u. verdient sich - ihr Taschengeld, nichts weiter. Das
ist nämlich kein „lebenswichtiges Handwerk” u. wird also auch nicht wie
Schneidern oder Transportarbeit bezahlt. Schwere Zeit für mich! Und mein