Gregori, Ferdinand: Brief an Franz Karl Ginzkey. Berlin, 22.10.1922
hauptsächlich in Wien erspartes Vermögen , von dessen Zinsen ich im Alter hätte leben
können u. das ich in österr. Kriegsanleihe angelegt hatte, ist keine 5 Gold-
mark wert. Was wird, wenn unsereiner, ohne jeden Pensionsanspruch, arbeits-
unfähig oder auch nur vorübergehend krank wird! Er verkauft seine Biblio-
thek u lebt ½ Jahr davon. Und dann? Sterbekasse!
Ellen möchte sich über kurz oder lang in Tirol ansiedeln, ich selber habe
auch große Sehnsucht nach Österreich, bin aber vernünftig genug, kein Wolken-
kuckucksheim anzustreben. So lebt man von der Vergangenheit. Mir kommts vor,
als sei es jetzt in Deutschland unzuverlässiger u aussichtsloser als bei Ihnen. Von
der moralischen Pest bei uns machen Sie sich keinen Begriff. Am Mittwoch spreche
ich in der „Gesellsch. f. deutsche Bildung” über „das Theater u die deutsche Seele”
u. werde fürchterlich auspacken.
Daß Österr. so viele schöne Bücher auf den Markt bringen kann, verwundert mich
immer von neuem. Ihre Balladen werden mir eine ganz große Freude sein. Wild-
gans hat nun auch ein Schicksal gehabt. Welches ist das von Bartsch? Ertl