Gräf, Hans Gerhard: Brief an Otto Weissel. o.O., 16.8.1918
Wildbad (Württemberg) Villa Stolzenfels, 16. VIII. 18.
Sehr verehrter Herr Doktor,
Aus eigener Erfahrung werden Sie
wissen, wie schwer man zum Briefschreiben kommt,
wenn man auf Reisen und auf Erholungsurlaub ist,
wenigstens in den ersten Tagen, zumal wenn man eine
Badekur gebraucht. Das ist mein Fall diesmal, wie Sie
aus dem Datum ersehen. Und so werden Sie entschul=
digen, daß Ihr liebenswürdiger Brief vom 3. bis jetzt
unbeantwortet geblieben ist. Gefreut hat er mich außer=
ordentlich, und zwar sowohl durch seinen Inhalt, als
auch durch den Augenblick seines Eintreffens, an dem
Sie ganz schuldlos, oder besser gesagt, ahnungslos sind.
Ich saß nämlich gerade mit meiner Frau und unsern
beiden Töchtern, nebst der Freundin unsrer älteren Toch=
ter beim Morgenkaffee, auf dem Tisch standen Blu=
men und der große Kriegskuchen, und unsre Her=
zen und Gesichter waren fröhlich, denn es war der
Tag unsrer Silbernen Hochzeit. Unter diesen außer=
[linker Rand; mit roter Ziffer:] 6 unsrige hier. Herzlich würde ich mich freuen, bald wieder einmal von
Ihnen zu hören. Für heute mit den besten Grüßen u. nochmaligem Dank
für Ihren Brief zur Silb. Hochzeit
Ihr aufrichtig ergeb.
H. G. Gräf.