Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 17.11.1916 - 29.11.1916
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was Ihnen Freude macht u. lieb ist.
23.XI. Aus zwei ganz verschiedenen Herzen
kommt, was ich Ihnen u. was ich meiner
Frau gebe, u. ebenso empfange ich von Beiden
mit verschiedenen Herzen. Was ich
Ihnen geben kann, sind Gedanken
nur u. Illusionen. Was könnte mei=
ne Frau damit anfangen? Für sie
ist das wertlos; denn was uns ver=
bindet, sind mehr reelle Dinge:
gegenseitige treue Hilfe, Rat,
Mitarbeit, Güte in einer Freund=
schaft voll Erinnerungen an un=
ser ganzes Leben u. voll Hoffnun=
gen auf die Zukunft, solange wir
leben. - Und unsere himmlische junge
Freundschaft? Wie kurz die Vergan=
genheit! Wie unsicher die Zukunft!
Glauben Sie an eine Zukunft? Ich
kann es nicht. Voll unendlicher Weh=
mut sagt mir eine Stimme: „Unsere
Freundschaft hat keine Zukunft.”
Wenn ich nichts mehr zu geben ha=
be, ist es aus. Nur empfangen kann
nicht der Freie. Diesen Gedanken
haben Sie ja auch selbst ausgesprochen,
auf der lieben Bank auf Deck der
„Viribus”. Nur bei den für's Leben
Verbundenen ist solche Einseitig=
keit möglich, ja selbstverständlich.
Ist es das, was Tom so intensiv an=
treibt, rasch, rasch sich auszugeben,
die Gegenwart zu genießen, wie
jene Pflanzen im Sand der Ataca=
ma-Wüste nach einem Regen, die