Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 17.11.1916 - 29.11.1916
sorgfältig in's Herz dazu, ob es platzt
oder nicht. Und erst, wenn Sie kom=
men, er Sie sehen, seinen Blick in Ihre
lieben, lieben Augen tauchen kann!
Seine Augen trinken, u. was sie
trinken, schwellt u. wärmt sein
Herz, sein ganzes Sein. Und wie
lauscht er den Worten aus Ihrem
Munde! Die Stimme ist ihm Musik,
in der sein Herz mitvibriert; die
Gedanken, die die Worte ihm zutra=
gen, sind ihm kostbare Offenbarungen
aus der lieben, edlen, verwandten
Seele, wovon er nie genug haben
wird, an denen er die Laster mes=
sen kann, die in ihm stecken: Habsucht, Haß,
*Geiz, Neid, Eifersucht, Neugierde,
Stolz, Eitelkeit u. andere; Ihre Gedanken,
die gönnt er keinem Zuhörer, die
möchte er alle für sich allein haben:
Sie sind ja doch sein Wunder der Har=
monie! (dabei bleibt Ihr Gatte natürlich außer Betracht.)
Und wenn Sie wieder gegangen waren,
kann Tom nicht recht glauben, daß Sie dage=
wesen. Ist denn gar nichts dageblieben von
ihr? Nichts, als Erinnerungen, ganz frische
u. ach, so viele verschwommene! Alle stopft
er aber in das Herz u. sucht noch weiter in
unbeschreiblichem Sehnen!- Wenn er Sie
so täglich sehen könnte; wäre denn dies et=
was gar so Unerhörtes? Noch nie Dagewe=
senes? Für mich aber der Himmel auf Erden.
Ach ja, eben deshalb geht es nicht! Dort,
wo du nicht bist, dort ist das Glück. -
24. XI. Da haben Sie also - sincerity for sincerity -
das ganze Bild von Tom's Liebe, die Sie zuerst
so erschreckt hat. Was ich dazu noch an Details
[seitlich links:] * d.h.: Habsucht - auf alle Ihre Gedanken; Haß gegen die, die mir welche
wegschnappen; Geiz: gebe nichts davon weg etc.