Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 18.8.1916
der nur streng bewiesene Tatsachen gel=
ten läßt, an nichts sonst glauben will u.
der Intuition gar keinen Spielraum
läßt. Und sie haben recht, weil sie nur
meine Urteilskraft kennen u. davon
schon mehr als genug haben, u. sonst von
meiner Seele, wie ich glaube, nichts
wissen. Ich halte für das Charakteristische=
ste an mir das, daß bei mir die Funktio=
nen von Kopf u. Herz viel strenger von
einander geschieden sind als bei den al=
lermeisten Menschen, d. h. daß ich in Dingen,
die meiner Ansicht nach nur den Verstand
angehen, so urteile, als ob ich gar kein Herz,
kein Gemüt hätte, u. wieder in Herzens=
sachen so fühle, manchmal auch handle, als
ob ich keinen Verstand hätte. Ist das ein
Hero? Davon werden Sie in dem, was ich
bisher geschrieben, kaum etwas finden.
Ich habe vielleicht zu pedantisch nur das,
was ich für das Wesentlichste von mir halte,
aus meinem Innersten herausgeschüt=
tet u. hätte darüber noch 10 mal soviel zu
sagen; habe dabei leider nicht daran ge=
dacht, ob Sie das nicht langweilt. Mein Wil=
le war gut. Verzeihen Sie mir also, oder
noch besser, machen Sie es mir nach u. mich
damit glücklich. Aus meiner engen Schrift sehen
Sie doch, wie stark mein Bedürfnis u. mein
Durst nach Mitteilung ist. Als Görz fiel, war
mein erster Gedanke, ob dadurch nicht die
Apparition für lange, oder doch über den Se=
dantag verscheucht werde. Denken Sie
doch an den grünenden Wüstensand!
Heute telegraphierte Boroević: „Für
Triest keine Gefahr.” Ich möchte ihn dafür
umarmen. Aber er schläft jetzt wohl, denn
es ist 2 Uhr Nachts.
Mein ganzer Brief ist inniger Dank für Ihr
liebes Schreiben. Ich küsse die Hand, die es schrieb.
Ihr sehr ergebener
A. Haus
GAdm.
[seitlich links:] Hero-worship habe ich ausgelesen u. bin entzückt.