Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 1.11.1916 - 4.11.1916
geworden wäre. Nun hieß es, sich der Wun=
derblüte würdig zu erweisen, das fühlte er
im Innersten des Herzens u. faßte gleich die
aller-allerbesten Vorsätze. Bei der Stelle:
"wer nie Liebes hat, hat nie Leid" u. beim
Rat "sein Herz an kein irdisches Geschöpf zu
hängen", taten ihm die alten Inder samt
Schopenhauer leid: "Griesgrämige Philister,
zimperliche Egoisten, die dem Herzen die
höchste Wonne der Hingebung vorenthalten,
weil man dafür zahlen muß, weil´s weh tut!
Wozu haben sie denn ein Herz? Damit es fett
werde? Solchen Herzen blüht keine Wunder=
blume auf! Disci." Ich gebe ihm ganz recht. -
Ihnen u. Sr. Exzellenz für Ihren unvergeßlichen
Besuch nach Gebühr zu danken, fehlen mir die
Worte. Was uns alle besonders beglückte, war
daß es Ihnen u. Sr. Exz. in unserer Mitte so gut
gefiel. Mit mir verehren u. lieben alle
anderen nicht nur Sie, sondern auch Ihren
Gatten, der uns alle als Mensch u. Gentle=
man näher u. höher steht, als irgend ein
hoher Funktionär, den wir je an unserer
Tafel gesehen. Hoffentlich ist der sehr bedau=
erliche Unfall schon vollkommen überstanden.
Die Tage, die Sie bei uns verbringen, sind
frohe Festtage für uns alle. Was Sie mir
sind, kann in Prosa nicht ausgedrückt wer=
den. Am vollkommensten wohl nur in Lie-
dern oder Musik überhaupt. Schon sehr
lange habe ich nicht dieses unbeschreibliche
Gefühl der vollkommenen Hingebung
an die mystische Welt der Töne gehabt,
wobei alle Nerven mit äußerster In=
tensität mitvibrieren u. auf jede Ton=
farbe, jede Schwellung u. Harmonie
reagieren, als wenn ich ein höchst emp=
findliches Toninstrument wäre. Durchschau=
ert von unaussprechlichen Gefühlen. Übri=
gens auch bei Ihrem vorletzten Besuche. Werde
ich solches noch einmal erleben? In treuer Freundsch. u. Verehrung
A.Haus