Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 23.12.1916 - 30.12.1916
Tief niedergeschlagen, las ich dann den
Brief von der 2. Seite langsam Wort
für Wort, zunächst mit wachsender
Beklemmung, stellenweise erdrückt
von Selbstvorwürfen; dann immer
mehr erleichtert; der 2. Bogen erfüll=
te mich mit unaussprechlicher Rührung.
Welch ein Engel!
Das kleine liebe Gekritzel brachte ich
mit der Lupe auch heraus: „sondern
viele liebe, dicke Briefe.”- Ohne Lu=
pe lese ich immer wieder: „einen”.!
Aber was für ein roher Mensch ich
bin! Beichtend nur an mich zu den=
ken! Als wenn Ihre harmonische Na=
tur sich das so ohneweiters leicht vor=
stellen könnte, was es heißt „to be
wroth with one we love” u. die madness!
Daß alles, was Tom in seiner kindischen
Verzweiflung sagte, nicht aus einem
denkenden Gehirn kam, sondern rei=
ner Wahnsinn war! In der Tatsache,
daß Sie nicht gekommen waren, sah
er nur Ihre vermeintliche Gleichgiltig=
keit! Das war seine Qual! Und daß
er nicht Gleiches mit Gleichem vergelten
kann, weil Gleichgiltigkeit sich nichts draus
macht.