Kienzl, Hermann: Brief an Wilhelm Kienzl. Wilmersdorf bei Berlin, 9.6.1927
erfahren könnte. Bei „Testament” und „Hassan”
erfuhr ich's erst, als die Partitur schon fertig war.
Da wären Einwendungen unnütz und grausam
gewesen. Wenn sich einmal wieder das Text=
buch - ein originelles, schlagkräftiges Text=
buch! - mit Deinem besonderen musikalischen Wesen
zusammenfände, müßte Dir ein Evangelimann=
oder Kuhreigen=Erfolg immer noch sicher sein!
Eine kleine Passion für irgendeine Seite der
Vorlage scheint mir nicht zu genügen; ein
Totum müßte es sein. - Die Kleinstädter
hast Du wohl endgiltig fallen lassen. Inzwischen
hat wieder ein neuer Komponist das alte
Lustspiel aufgegriffen. Die Konkurrenz hättest
Du gewiß nicht zu fürchten; aber es müßte
ja nicht dieses Stück sein - nur sitzt in
mir der Gedanke fest, daß eine richtige
Biedermeier=Oper ganz Dein Fall wäre;
aber eine selbstverständlich, die mit Ironie
und Esprit zu uns herankäme.
Wenn es mir nicht so schlecht gienge,
würde vielleicht auch ich noch einmal über die
Tagesschreiberei genug Gewalt finden, einen
meiner dramatischen Entwürfe auszuführen. Die