Liegler, Leopold: Brief an Karl Kraus. Lilienfeld, 1.6.1916
Belegstellen aus der aufgearbeiteten Literatur zu streichen, will
aber darin nicht allzuweit gehen, und die zahlreichen Zitate ihrer
Mehrzahl nach bestehen lassen, denn in dem Leser soll der
Eindruck erweckt werden, daß das hier vorgebrachte Anklage-
material gegen die Institution der Presse und in weiterem Sinne
gegen unsere heutige Kultur überhaupt schon da und dort formuliert ist,
daß diese schädliche Entwicklung weit zurückreicht und von
manchen einsichtsvollen Menschen vorausgeahnt wurde.
Erst die Gelegenheit, über die Bedeutung der Fackel zu sprechen,
gab die Veranlassung, dieses weit zerstreute Material zu
sammeln und das geschlossene System der Presse auf Grund
verbürgter Geständnisse von Journalisten selbst und rein
wissenschaftlicher Kritiken von Historikern und Nationalökono-
men am Maßstab der Geistigkeit und Ethik zu messen.
Ich habe mich gehütet, einen gehässigen Ton anzuschlagen und versucht,
alles mit einer strengen Sachlichkeit vorzubringen; ich denke aber der
Eindruck der Objektivität wird noch dadurch verstärkt, daß ich die
wichtigsten Einwände entweder Journalisten selbst oder wissen-
schaftlich forschende Leute vorbringen lasse. Es paßt das sehr gut zu
der indirekten Methode, die ich im theoretischen Teil angewendet habe,
und wo ich beweise, daß die Idee der Presse, wie sie sich uns
heute darstellt, das gerade Gegenteil von dem leistet, was ihre
Schlagworte von Pressfreiheit, Fortschritt, Aufklärung oder
Gedankenfreiheit verkünden. Die absolute Lüge und das
geistige Sklaventum, das von der Journalistik aus-
geht, konnte kaum eindringlicher anschaulicher gemacht
werden.