Franzos, Ottilie: Brief an Julius Pée. Wien, 9.12.1921
nenden oder früher arbeitenden Klasse.
Es ist Katholisches Stift, Nonnenleitung, und
wird subventioniert. Eine Luft zum
Schneiden - tiefe Dämmerung. Die Dame
ist 76 Jahre. Mit rührender Dankbarkeit
hat sie die Meirelbeker Gaben aufgenom=
men. Sie fühlt sich sehr unglücklich, doch
konnte ihre Tochter, Frau verwitwete
Universitätsprofessor Czermak sie nicht
länger zu Hause behalten. Frau Cz. hat sich,
dadurch, daß sie jahrelang die Arbeit ohne
Mädchen geleistet hatte, ein Herzleiden zu-
gezogen.
Neben mir wohnt seit 1914, wo der
Mann als öst. Berufsoffizier an die
Front musste, die Familie Th. Die Frau
hat sich durch das alleinige arbeiten
seit, vielleicht 3 Jahren ein Lungenlei-
den zugezogen. Der, jetzt Oberst bei
unserer Wehrmacht!, ist heil heimgekom-
men. Ich weiß nicht, ob er die Familie
nicht erhalten kann oder nicht will, genug,
sie macht weiter Alles selbst und strickt
dabei bis in die Nacht hinein feine
Deckchen. Ihr einziges Töchterchen haben
sie vor 5/4 Jahren an der Ruhr verlo=