Gräf, Hans Gerhard: Brief an Otto Weissel. Weimar, 1.12.1918
mußten: eine Tochter ist verheiratet (d. h. doch wohl: ma=
teriell versorgt), eine andre, Riedi, kann das kostspieligste
aller Studien, das medizinische, ergreifen u. verdient, nach
glänzendem Abschluß ihrer Examina, jetzt gewiß schon
ganz leidlich. Eine dritte Tochter, unsre liebe Thildi, darf
mehrere Jahre im Ausland leben, sogar während der alles
verteuernden Kriegszeit. Zu seinem Hause in Wien erwirbt
Herr P. ein zweites Haus mit Gartenanwesen, Weinberg
sog. in Grinzing, u. zwar erst vor kurzem - alles dies
zusammen durfte in mir gewiß die Vorstellung eines
sehr guten, wohlgesicherten Wohlstandes erwecken.
Oder hat meine aus kleinen finanziellen Verhältnissen
heraus spielende Einbildungskraft mir einen Streich
gespielt? Sie können sich denken, oder vielmehr nicht
denken, wie sehr mich Ihre Mitteilungen bestürzt u.
erschreckt haben! und wie peinvoll es mir ist unter
diesen Umständen, daß das, was eine bescheidene,
freundliche Bitte sein sollte: in Erwägung zu ziehen,
nun den Anschein lästiger Bettelei erwecken oder
doch so empfunden werden muß. Nach Ihrem Wort
muß ich leider annehmen: daß die Summe,
die der gute, bedauernswerte Herr P. trotz seiner
sorgenvoller Lage nun, wohl oder übel, meiner Tochter
zu stiften in seiner Güte sich entschlossen hat,