Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 17.11.1916 - 29.11.1916
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gekommen! Leicht gerötet von der An=
strengung des Marathon-Laufes - viel=
leicht schämt er sich auch ein wenig! - meldet
er, auf den Poststempel deutend, daß er
erst am 25.ten von Wien gestartet ist.
„Was hast du denn 5 Tage lang gemacht?
Warst du auch verkühlt?” - Er schweigt, der
Gute, Liebe. Ach ja, an seiner Stelle hätte
ich mich gewiß auch nicht beeilt, fortzukom=
men, von der Sanften, Lieben, Holden!
„Selig sind die Sanftmütigen, denn ihrer
ist das Himmelreich!”- Nie sind mir
diese göttlichen Worte so - wenn überhaupt
- in die Seele gedrungen, wie beim
Lesen Ihres so schmerzlich ersehnten
Briefes. Von jeder Seite strahlt das
gleiche Licht aus u. blitzschnell leuch=
tet Alles, was ich von Ihnen gelesen,
gesehen, gehört, auch über Sie ge=
hört habe, in dem gleichen sanften
Licht auf. War ich blind, als ich die
Schrift Ihres ersten Briefes - der
Himmel segne Sie dafür! immer
wieder u. wieder! - analysier=
te, daß ich diesen wunderholden Zug
an Ihnen nicht sofort erkannte?
Hat es erst dieses aus Angst u. Seh=
nen entstandenen Seelenauf=
ruhrs bedurft, damit mir die
Schuppen von den Augen fallen u.
ich endlich klar erkenne, was
ich, warum ich Sie anbete?
Ach, wenn mein Lieben auch so sein
könnte, wie Ihres, so sanft u. mild