Haus, Anton von: Brief an Lucia von Fries-Skene. Pola, 1.11.1916 - 4.11.1916
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der Welt in mein Herz hineinschau=
en könnte, wo das Heiligste, Beste
von mir sorgsam verschlossen ist.
4.XII Da ich immer nur in dieser Gefühlsat=
mosphäre atme u. Alles durch sie durch=
sehe, bin ich der Klarheit u. Unbefan=
genheit meines Urteils nicht mehr ganz
sicher. Alles, was ich bisher getan, gesagt,
geschrieben habe, alles, was ich fühle, an=
strebe u. träume, ist in meinen Augen
so natürlich, unschuldig u. harmlos in Be=
zug auf Sie u. Ihren Gatten, daß ich gar
nichts Bedenkliches darin finde. Wie
denkt jedoch meine liebe Freundin darü=
ber? Sie, die nun Alles weiß, sich die Frei=
heit, Klarheit u. Unbefangenheit des Ur=
teils vollkommen bewahrt hat u. daran
Tom-Natur - wie ich auf diese Verwandt=
schaft stolz bin! - immer on the alert ist?
Wollten Sie mir nicht in voller sincerty
diese Frage beantworten, namentlich
auch, ob Ihnen irgend etwas in meinem
Benehmen, Reden u. Schreiben nicht
ganz recht war u. was? Als wir am
30. Mittags nach dem Unfall Ihres Gatten
in den Salon hinunter kamen, schienen
Sie sich gleich nach dem Eintreten dort
ungemütlich zu fühlen, mit mir allein
zu sein. Haben Sie vielleicht irgend
eine Dummheit meinerseits besorgt?
Bedenken Sie, daß, wenn Sie aus Scho=
nung an mir gar nichts aussetzen wol=
len, Sie damit Alles sanktionieren u.
billigen, was ich geschrieben, gesagt